Musikverständnis

Bemerkungen zur Beziehung von Musik und Bildnerischem Gestalten

Ein weiterer Aspekt von Weckmanns Arbeiten ist die Auseinandersetzung mit Musik. Als „Notenblätter“ bezeichnet er seine im OG zu sehenden Arbeiten, bei denen er sich meist konkret auf ein Musikstück bezieht. Besonders die Minimalmusic beispielsweise von John Adams, oder die Stücke der schwedischen Jazzband „Esbjörn Svensson Trio“, kurz: „E.S.T.“, beschäftigen ihn. Wie Noten selbst abstrakte semantische Zeichen sind (also Zeichen mit einer zugeordneten Bedeutung), und Musik eine abstrakte Ausdrucksform darstellt, so sind auch diese Arbeiten abstrakt, beschäftigen sich im formalen Spiel mit Rhythmus, Variation und Entwicklung. Aber auch in diesem Bereich kommt das Erzählerische vor: Der Komponist und Pianist Esbjörn Svensson ist 2008 beim Tauchen tödlich verunglückt. In der Arbeit „Tears for Esbjörn, im Meer“ (OG, Nr. 56) spielt dieser Hintergrund eine Rolle – jeder mag sich seine Gedanken über die große blaue Fläche im Bild selbst machen und das Bild mit dem Gegenstück in Neapelgelb vergleichen.

Zitiert aus der Wendlinger Rede von Birgit Wiesenhütter

Was eine Melodie ausmacht:
wie ein Bündel an einander in Beziehung stehender Zeichen.

In der Fuge steht zu Beginn die Exposition – für mich so etwas wie das Thema eines dann folgenden Musikstückes.

Entsprechend stelle ich – vergleichbar einer Exposition – ein überschaubares Bündel an Bildzeichen zusammen, die zueinander in Bezügen stehen.

So zum Beispiel:

In einer überschaubaren „Spielfläche“ ist ein kleiner Halbbogen nach rechts geöffnet. Diesem steht eine eher sachliche, weil quadratische Form gegenüber. Kann der Halbbogen sich behaupten?! In weiteren, wie auf Notenlinien geordneten Spielflächen wird dann durchdekliniert:
2. Der Halbbogen wird so groß, dass er das Quadrat dominiert.

3. Der Halbbogen wird zum Schirm, der das Quadrat schützt

4. Der Halbbogen wird zur Schale, wie ein Schiffchen fangen beide Formen zu schwingen an, die Formen lösen sich dadurch auf, werden weicher.

Etc.

Das ist ein Beispiel eher narrativ geprägter bildnerischer Abläufe.

Gleichzeitig oder je nach Schwerpunkt meiner Absicht finden solche Abläufe auch in ganz abstrakter Weise statt – wie groß gegen klein, weiche Form gegen Kantiges etc.

Und immer treiben mich im Innersten Gesten oder Zitate menschlicher Form an.

Tanz ist für mich ein Schlüsselbegriff in der Verbindung von Bewegung und Musik.
Aber auch die Erinnerung an die Gestik von Musikern an ihren Instrumenten.

Schließlich:
Für meine Spielregeln für die bildnerischen Prozesse finde ich reiche Anregungen, Anhaltspunkte in der Musik.

Beispiel Bachsche Fuge:
Da werden Noten, Melodieteile gespiegelt, wiederholt, verdoppelt, rückwärts gespielt etc.

Die linke Hand am Klavier spielt zeitlich versetzt das der Rechten, linke und rechte Hand – wie Frage und Antwort …

In der zeitgenössischen Musik:

z.B. verschiedene, aber in sich ähnliche rhythmisch dominierte Klangteppiche werden übereinander geschichtet.

Es entstehen Interferenz-Effekte – Klänge, wie ein Wabern, Schwingen im Raum.

Analog dazu im Zeichnen:
Skripturale Kritzeleien, möglichst im gleichen Rhythmus „schreiben“ als Blindzeichnung – wiederholt überlagert, vergittert, seit dem Action Painting genießen wir den ästhetischen Reiz solcher Verfahren – es ist wie Musik! Eben.

Solche Verfahren inspirieren mich. Ich baue Bilder mal wie Notenblätter strukturiert auf, bis dahin, dass sie in solchem zeitlichen Ablauf erstellt sind.

Oft aber freier als Ordnungsprinzip für den Betrachter zu Grunde gelegt, und eher wie ein Kreuzworträtsel erarbeitet, die Gesamtwirkung dabei stets im Auge.

Der Bildende Künstler arbeitet dabei wohl konzeptionell ähnlich wie der Komponist.